Tipps und Tricks
So geht kreative Konzeption
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Der Hauptteil meiner Arbeit ist die Konzeption, also die theoretische Basis zur Lösung einer Herausforderung in der Kommunikation. Konzeption „ist ein weites Feld ...“. Schwer zu erklären das Ganze, was eigentlich kein Wunder ist. Denn schließlich kann man Konzepte weder anfassen noch schmecken noch riechen (und glaubt mir, ich habe es versucht).
Sowohl im Beruflichen als auch im Privaten beginnt Konzeption immer mit einer Herausforderung und deren möglichen Lösungswegen.
Konzeptionsursprünge im Leben?
Ich bin eines Tages zur Impfung gefahren und bemerkte nicht, dass mein Tank bereits auf Reserve war. Banal, aber dennoch ärgerlich. Die Lösung schien zunächst recht naheliegend: Mit Google Maps die nächste Tankstelle raussuchen, nach der Impfung ansteuern. Am Ziel war ich dann mit dem nächsten Problem konfrontiert: Ich hatte mein Portemonnaie vergessen.
Genau an dieser Stelle setzt der interessante Moment der kreativen Konzeption ein: das Denken. Welche Möglichkeiten stehen einem zur Verfügung, um das Problem auf eine naheliegende, bequeme und doch interessante Weise zu lösen? Dafür muss man zunächst einige Möglichkeiten durchgehen:
- Tanken, nicht bezahlen, mit dem oder der Kassierer*in sprechen, Personalausweis dalassen, nach Hause fahren, Portemonnaie holen, später bezahlen: klassisch, dennoch umständlich. Das Ergebnis sind drei Fahrten und die damit einhergehende Anstrengung und Unkosten in Form von Sprit.
- Tanken, so tun, als hätte man es vorher nicht gewusst, weinen und auf Erbarmen irgendeines Mitmenschen hoffen: zu experimentell, außerdem ist das Ergebnis zusehr von äußeren Umständen abhängig (kann ich überhaupt auf Kommando weinen?).
- Nicht tanken, den Abschleppdienst rufen, von dem Abschleppdienst mit dem Auto nach Hause bringen lassen, zuhause Portemonnaie holen und zu Fuß einen Kanister besorgen, Kanister volltanken, bezahlen, nach Hause laufen, Tank mit einer Minimalmenge auffüllen, die ausreichend ist, um danach zur Tankstelle zu fahren: äußerst umständlich und zeitintensiv, außerdem abhängig von der ADAC-Mitgliedskarte, die natürlich im Portemonnaie steckt. Wann habe ich außerdem das letzte Mal den Beitrag gezahlt? Bin ich noch Mitglied? Wie teuer ist das ohne Mitgliedschaft? Zieht zu viele weitere Probleme nach sich, die nichts mit der eigentlichen Sachlage zu tun haben.
- Nicht tanken, Handbremse lockern, Auto zur Seite schieben, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren, Portemonnaie holen, zurückfahren: zeitintensiv, außerdem steckt das Jobticket ebenfalls im Portemonnaie.
- Hut aufstellen, tanzen, Geld einsammeln, für das entsprechende Geld tanken: leider kein Hut oder ähnlicher Behälter vorhanden (außerdem etwas peinlich).
Logische Schlüsse
Per Ausschlussverfahren sieht man, dass die Optionen 2, 3, 4 und 5 nicht in Frage kommen. Jetzt könnten wir in unserer Überlegung bei Option 1 stehen bleiben. Aber dann wären wir noch nicht bei kreativer Konzeption angekommen! Wir behalten die Prämisse „Tanken“ im Kopf und stellen uns dem darauffolgenden Problem: nicht bezahlen. Wie kann man das lösen?
Mal wieder durch intensives Nachdenken. Was sind alternative Zahlungsmittel zum Portemonnaie? Natürlich das Handy. Dadurch, dass ich Google Maps benutzt habe, weiß ich, dass ich es dabeihabe. Durch die Gleichung Handy=mögliches Zahlungsmittel entstehen die nächsten Optionen:
- Mobiles Bezahlen per Sparkassen-App aktivieren, tanken, bezahlen, fahren: simpel, setzt aber Dateneingaben von der Karte voraus, die daheim im Portemonnaie steckt.
- In die Tankstelle gehen, Zahlung per PayPal vereinbaren (Geld an PayPal des Kassierers senden), tanken, Kassierer bezahlen lassen, fahren: Perfekt! Keine zusätzlichen Mittel erforderlich, einfache Lösung durch Kommunikation.
Durch die Kombination aus klassisch-logischer Überlegung und „out of the box thinking“ entstehen kreative Problemlösungen – im Leben wie in der Kommunikation.
Kampagnenkonzeption durch Problemlösung
Die Kampagnenkonzeption bei Unternehmen, Marken etc. funktioniert auf ähnliche Weise. Die Kette der Überlegungen fängt nur schon deutlich früher an und wird immer wieder neu geknüpft. Ein gutes Beispiel dafür sind die Kampagnen von Coca-Cola.
Das Hauptproblem – oder die wichtigste Frage – der Marke Coca-Cola war, wie sie sich von den Assoziationen mit ungesunder Zuckerbrause lösen könnten. Ähnlich zur Fruchtsaftwerbung hätte das Unternehmen Kompromisse eingehen und davon sprechen können, dass Coca-Cola die gesündeste Zuckerbrause mit einem Gehalt von n% Kräutern, Früchten, Vitaminen etc. ist.
Stattdessen hat sich das Unternehmen nicht auf diese Diskussionen eingelassen, sondern den Gesprächsverlauf über seine Marke geändert. Im Markenkern hat Coca-Cola den Fokus auf unkritische Dinge gelegt wie Spaß, Teilen, „happiness“ Gemeinsamkeit und Lebensgefühl. Aus diesem Kern heraus entstehen seit Jahrzehnten erfolgreiche Kampagnen, die alle unterschiedlich sind, aber ebendiesen gemeinsamen Ursprung haben.
Was haben der Weihnachtsmann, Zuckerbrause und Trucks gemeinsam? Vordergründig nichts. Aber wenn man die logische Verkettung bis hin zum Markenkern beleuchtet, sieht man, wie sie miteinander verbunden sind. Der Weihnachtsmann steht für Spaß, Freude und Teilen. Der Truck fürs Ankommen, Teilen, für übergreifende Gemeinsamkeit. Und die Zuckerbrause mit dem Markenkern „enjoy sharing happiness“ ist das große verbindende Element. Auf dieser Basis können immer wieder neue Kampagnen entstehen, obwohl sie sich in der Grundstruktur seit Jahrzehnten wiederholen.
Fazit
Kreativität funktioniert meistens nicht ohne Logik. Nur durch strategisches Denken kann man sichergehen, die beste Variante zu finden! Zumindest meistens. Schließlich hätte ich auch die Möglichkeit gehabt, die Benzinreserve auszureizen und gar nicht erst an der Tankstelle anzuhalten.