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Journalistische Darstellungsformen: Immer der richtige Text

Lesezeit: 5 min

Das Close-up einer Notebooktastatur mit daneben liegendem Stift symbolisiert journalistisches Schreiben.

Gegenüber coolen, multimedialen und interaktiven Formaten mit Videos, Podcasts oder Grafiken wirkt der gute alte journalistische Text doch irgendwie ganz simpel: Er hat einen Anfang, einen Mittelteil und einen Schluss. Er besteht aus Absätzen, aus Sätzen, aus Wörtern, aus Buchstaben. Aneinandergereiht enthalten diese Buchstaben Informationen und Geschichten, die andere Menschen (hoffentlich) interessant finden. Eigentlich ganz einfach. Also Häkchen dran und weiter zum nächsten Thema?

Nicht so schnell, denn Text ist nicht gleich Text. Auch wenn es „nur“ um einen Textbeitrag geht, sind Fingerspitzengefühl und Vorüberlegungen gefragt. Eine der wichtigsten Entscheidungen dabei ist die Auswahl der Textart. Vom klassischen Bericht bis hin zur anschaulichen Reportage erfüllt jede Textform ihren eigenen Zweck und sollte dementsprechend auch mit Bedacht ausgewählt sein. Doch welche journalistischen Textarten gibt es, wie unterscheiden sie sich und wann sollte man welche einsetzen?

Welche journalistischen Texte gibt es?

Die Nachricht

Screenshot der News von 2020 von der Webseite www.wir-hier.de, dass das Unternehmen Nölken ab sofort klimaneutral arbeitet..

Die Nachricht ist die vermutlich einfachste Textform im Journalismus. Bei ihr geht es ausschließlich darum, Informationen zu vermitteln. Spannung, ein besonders mitreißender Einstieg oder elegantes Storytelling sind bei ihr nicht gefragt. Auch eine Einordnung oder weiterführende Hintergrundinformationen gehören nicht zu einer Nachricht. Vielmehr vermittelt der Autor eine neue Information möglichst kurz und knapp in wenigen Sätzen und geht dabei nach dem Prinzip der absteigenden Wichtigkeit vor: Der Kern der News steht direkt im ersten Satz. Jeder weitere Satz ist immer weniger wichtig. Die Sätze in der Nachricht sollten kurz, präzise und einfach verständlich sein. Die Informationen orientieren sich dabei an den 7 W-Fragen:

  • Wer ist beteiligt?
  • Was ist geschehen?
  • Wo?
  • Wann?
  • Wie (Einzelheiten)?
  • Warum?
  • Woher stammt die Information (Quelle)?.

Der Bericht

Screenshot einer News auf wir-hier.de über mobile Genlabore für Schulen in Rheinland-Pfalz.

Der Bericht ist der große Bruder der Nachricht. Ähnlich wie bei der Nachricht vermittelt er Informationen in der Regel recht trocken. Anschauliche Szenen oder die Illustration eines Trends durch persönliche Geschichten sind auch hier fehl am Platz. Im Vergleich zur Nachricht ist der Bericht aber deutlich länger. Den zusätzlichen Platz nutzen Autoren, um die Nachricht mit weiterführenden Informationen in einen größeren Kontext einzuordnen. Das funktioniert beispielsweise durch Verweise auf vergangene Entwicklungen zu diesem Thema oder durch Einschätzungen (auch als direktes Zitat) von Experten, Handelnden und Personen, die stellvertretend für betroffene Gruppen sprechen können.

Die Reportage

Sind Nachricht und Bericht das zwar gesunde, aber etwas langweilige Schwarzbrot der journalistischen Darstellungsformen, so ist die Reportage der süße Eisbecher mit Schokosoße und Sahne. Bei der Reportage geht es nämlich darum, möglichst unterhaltsam und anschaulich zu schreiben. Der Inhalt einer Reportage ist sehr eng gefasst: Sie fängt ein außergewöhnliches Ereignis ein, ohne dass dieses eine darüberhinausgehende Bedeutung hat („reportagige“ Texte mit Meta-Ebene werden gerne auch einfach als Reportage bezeichnet, sind aber eigentlich Features). Reportagen leben von anschaulichen Szenen, Spannung, Bewegung und Überraschung. Der Autor verlässt den Schreibtisch, reist zum Ort des Geschehens und beschreibt möglichst plastisch die Dinge, die er sieht – je konkreter, desto besser: Statt bei der Beschreibung eines Tisches  von „Geschirr“ zu sprechen, sollte man also lieber „Buttermesser mit Holzgriff, abgenutzte Teller mit Blumenmuster und eine hohe, weiße Pfeffermühle schreiben“. Beim Leser muss eine Reportage „Kopfkino“ auslösen – er sollte sich stets fühlen, als würde er dem Reporter über die Schulter schauen. Was Reportage und Nachricht aber gemeinsam haben: Alle Fakten und Zitate müssen stimmen. Bildliche Sprache ist erlaubt, dramaturgische Elemente und die Schilderung von Eindrücken und Gefühlen – aber wenn ein Autor bestimmte Dinge nicht weiß (oder nicht wissen kann), darf er sie sich nicht einfach ausdenken.

Das Feature

Screenshot eines Online-Features zum Thema teure Arbeitsplätze in Deutschland.

Das Feature verbindet Reportage und Bericht. Ein Feature nimmt einen nachrichtlichen Hintergrund (beispielsweise einen neuen Trend, ein verbreitetes Phänomen oder eine Statistik) und haucht ihm Leben ein. Das gelingt, indem Autoren einen typischen Einzelfall stellvertretend für das größere Phänomen reportagig beschreiben. Geht es im Feature etwa um Arbeitsbedingungen in Pflegeberufen, kann man szenisch die Erfahrungen eines einzelnen Pflegers beschreiben, um das Gesamtphänomen anschaulicher zu machen. Üblicherweise beginnt ein Feature mit einem szenischen Einstieg gefolgt von einem „Portal“, das die Szene in den größeren Kontext setzt. (Frei nach dem Motto: „Max Mustermann ist kein Einzelfall. Immer mehr Menschen...“; aber aufpassen: „Ist kein Einzelfall“ und den Immer-mehr-ismus sollte man nie als tatsächliche Formulierung im Text wählen, sondern stattdessen dasselbe mit eleganteren Umschreibungen ausdrücken). Nach dem Portal folgt ein Wechselspiel aus beispielhaften Szenen und deren Abstraktion und Unterfütterung durch Hintergrundinformationen wie bei einem Bericht. Dabei können auch Experten zu Wort kommen.

Das Porträt

In Porträts steht der Mensch im Mittelpunkt. Das gilt nicht nur für Gemälde, sondern auch für journalistische Texte. Ziel des Porträts ist es, das Wesen eines Menschen einzufangen, sodass die Leser eine ihnen eigentlich fremde Person kennenlernen, sich vielleicht in sie hineinversetzen können. Als Protagonist eignet sich jeder Mensch, der Bemerkenswertes leistet, besondere Eigenschaften hat oder im öffentlichen Rampenlicht steht. Oft zeigt das Porträt die Person reportagig in für sie typischen Situationen, in denen sie Charakterzüge, Verhaltens- und Denkweisen an den Tag legt, die allgemein und auch abseits dieser spezifischen Situation auf sie zutreffen. Auch biografische Details sollten Leser des Porträts erfahren.

Das Interview

Screenshot eines Interviews mit Tore Prang von Heraeus über Technologien zur Corona-Bekämpfung.

Im Interview äußert sich der Protagonist ausführlich in eigenen Worten. Das Wechselspiel aus Fragen und Antworten bietet sich besonders dann an, wenn der Autor die persönliche Einstellung des Gesprächspartners zu einem (bei längeren Interviews auch mehreren) spezifischen Thema herausfinden will. Oft werden Interviews auch genutzt, um den Gesprächspartner zu kontroversen Themen herauszufordern und kritisch zu hinterfragen. Das niedergeschriebene Interview muss nicht unbedingt 1:1 dem tatsächlichen Gesprächsverlauf folgen. Gesprochene Sprache ist oft kompliziert mit langen, verschachtelten oder unvollständigen Sätzen. Auch die Reihenfolge der Fragen und Antworten kann auf Papier manchmal verwirrend sein. Deshalb kann und sollte man an diesen Stellen auch ein Wortlaut-Interview zur besseren Lesbarkeit redaktionell anpassen. Inhaltlich darf durchs Redigieren oder eine Veränderung der Frage-Abfolge aber nichts verfälscht werden.

Der Kommentar

Kommentare sind heutzutage seltener als andere journalistische Texte, aber gehören dennoch zu den Grundformen. Der Kommentar ist ein Meinungsbeitrag. Wie der Name schon sagt, spiegelt sich in ihm die Meinung des Autors zu einem bestimmten Thema wider. In dieser Textform kann er seine persönliche Einschätzung zu einem spezifischen Sachverhalt abgeben. Wichtig ist dabei, dass ein Kommentar Autoren nicht die Freiheit gibt, einfach zu schreiben, was sie wollen. Auch Kommentare müssen immer auf Fakten basieren, zu denen Autoren dann begründet und nachvollziehbar argumentiert ihre Bewertung abgeben.

Die Glosse

Die Glosse ist ähnlich wie der Kommentar ein Meinungsbeitrag. Während Autoren im Kommentar aber auf sachlicher Ebene bleiben, nutzen sie für die Glosse meist Humor und Satire, um auf unterhaltsame Weise eine Position zu aktuellen Themen zu beziehen. Die Sprache sollte spannend, bunt und direkt sein. Die Glosse ist kurz und prägnant, die Argumente sind pointiert und überzeichnet. Sie können auch polemisch und provokant sein, um eine emotionale Reaktion bei den Lesern auszulösen. Trotzdem müssen Autoren natürlich die Sachverhalte, zu denen sie Stellung beziehen, sehr gut kennen. So kann eine ironische Glosse beispielsweise gesellschaftliche und politische Probleme anprangern. Bei den vielen Freiheiten, die einem die Glosse bei der Argumentation gibt, darf man allerdings nie einfach auf stumpfe Beleidigungen oder Diskriminierung zurückfallen.

Je nach Anlass und Ziel eines Textbeitrages bieten sich also unterschiedliche journalistische Texte an. Ein besonderer Mensch soll vorgestellt werden? Porträt. Ein Trend oder Phänomen soll erklärt werden und gleichzeitig anschaubar für Leser sein? Feature. Es sollen schnell und einfach Informationen vermittelt werden? Nachricht oder Bericht. Schon bevor man überhaupt den ersten Buchstaben einer Geschichte geschrieben hat ist es essenziell, sich Gedanken zu machen, was man mit dieser Geschichte erreichen und erzählen willund welche Textform dieses Ziel am besten erreicht.

Journalistische Texte: Merkmale und Qualitäten

Nachricht / Meldung 

  • Reine Informationsvermittlung
  • Kurz und knapp
  • Absteigende Wichtigkeit

Bericht

  • Informationsvermittlung im längeren Format
  • Nachricht einordnen mit Kontext, Hintergrund und weiterführenden Informationen
  • Einschätzung von Experten, Handelnden und Betroffenen

Reportage

  • Beschreibt szenisch außergewöhnliche Ereignisse, die für sich alleine stehen und keine darüberhinausgehende Bedeutung haben
  • Dem Reporter über die Schulter gucken
  • Spannung, Bewegung, Überraschung, Konkretheit

Feature

  • Vereint szenische Reportage und informativen Bericht
  • Reportage-Elemente schildern Einzelfall, der repräsentativ für ein größeres Phänomen oder einen Trend steht
  • Bericht-Elemente geben Hintergrundinformationen (Statistiken, Expertenwissen, historische Entwicklungen) zum übergeordneten Thema des Features, um die Szenen in größeren Kontext einzuordnen
  • Wechsel zwischen Anschauung und Abstraktion

Porträt

  • Mensch im Mittelpunkt
  • Fängt Wesen und Persönlichkeit ein
  • Typische Situationen, die Charaktereigenschaften des Porträtierten zeigen
  • Biografische Details

Interview

  • Erkundet Einstellung einer relevanten Person zu einem spezifischen Thema
  • Oft auch kritisch und kontrovers
  • Kann zur besseren Lesbarkeit redaktionell bearbeitet werden, solange Inhalte nicht verfälscht werden

Kommentar

  • Meinungsbeitrag
  • Basierend auf Fakten und wahren Sachverhalten
  • Begründete Argumentation auf Faktengrundlage gibt Meinung der Autoren wieder

Glosse

  • Kurzer Meinungsbeitrag
  • Unterhaltsam, humorvoll, satirisch, ironisch, provokant bis polemisch
  • Prangert gesellschaftliche Probleme an
  • Nicht stumpf beleidigend oder diskriminierend

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