Tipps und Tricks

Azubimarketing: Erfolgreich mit Jugendlichen kommunizieren

Nicolas Schöneich
Azubimarketing: Erfolgreich mit Jugendlichen kommunizieren:

Der Wettbewerb um den Fachkräftenachwuchs nimmt zu. Vor allem in der beruflichen Ausbildung fällt es manchen Unternehmen immer schwerer, ausreichend Schulabgänger für sich zu begeistern. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen auf den richtigen Kanälen und mit den richtigen Formaten um Jugendliche werben. Wir haben die wichtigsten Faktoren und häufige Versäumnisse für erfolgreiches Azubimarketing zusammengestellt:

1. Zielgruppe verstehen

Wer wissen will, wie Schülerinnen und Schüler ticken, muss mit ihnen reden. Schon in der Konzeptionsphase vom Ausbildungsmarketing. Es reicht nicht, wenn Sie die Shell-Jugendstudie oder andere Befragungen lesen oder Ihre „jüngsten“ Kolleginnen und Kollegen ins Team Azubimarketing holen. Wer 25 (oder sogar erst 20) ist, weiß mit einiger Wahrscheinlichkeit schon nicht mehr, wie 15- oder 16-Jährige drauf sind, wie und wo sie sich informieren, was sie bewegt. Kommunikationskanäle und -formate ändern sich schnell. Und angesichts von Corona ändern sich auch ganz grundlegende Bedürfnisse wie Sicherheit und Orientierung, Einstellungen und Erwartungen zur Zukunft und zur Arbeitswelt. Nichts ist da so schädlich für das Image wie „pseudojugendliche“ Marketingideen aus den Köpfen Erwachsener.

Überlegen Sie sich deshalb, wie Sie Jugendliche in die Konzeption Ihres Azubi-Marketings integrieren. Durch Befragungen, die Einladung zu Design Thinking-Workshops oder etwas weniger formal: indem Sie sich zu Ihren halbwüchsigen Kindern, Nichten oder Neffen, deren Freundinnen und Freunden mal an den Tisch setzen.

Sprechen Sie auch mit aktuellen Azubis darüber, was sie in ihrer Berufsorientierung und Bewerbung an Ihrem Unternehmen begeistert oder gestört und was ihnen gefehlt hat. So erhalten Sie eine gute Mischung aus formalen und emotionalen Eindrücken, die Sie dann noch mit Überblicksstudien absichern können.  „Ihre“ Jugendlichen können Sie so treffsicher umreißen. Halten Sie sie dann in einer Persona als fiktive/r Zielgruppenvertreter/in fest, damit Sie sie die ganze Kampagne über  vor Augen haben, alle Maßnahmen daran ausrichten und eingreifen können, wenn etwas nicht zur Persona passt.

2. Ziele definieren

Sobald Sie „Ihre“ Jugendlichen kennen, legen Sie das daneben, was Sie von den Schülerinnen und Schülern wollen. Gleich vorweg: Es wird Ihnen als einzelnes Unternehmen nicht gelingen, das Image „der Ausbildung“ grundsätzlich zu verändern. Setzen Sie sich im Azubimarketing keine vergleichenden, defensiven Ziele à la „Wir beweisen, dass unsere Ausbildung besser ist als die Uni.“ Lassen Sie Ihre Ausbildungsberufe für sich sprechen: Vergütung, Arbeitsinhalte, tolle Kollegen und Kolleginnen, wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung, innovative Skills und Produkte – es gibt viele Pluspunkte und Rahmenbedingungen, die Sie glaubwürdig inszenieren und vermarkten können.

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Je konkreter und messbarer Ihr Ziel, desto zielgerichteter können Sie konzipieren, Ihre Erfolge messen und Ideen zwischendurch auch anpassen. Definieren Sie dazu (am besten je Ausbildungsberuf) einen möglichst konkreten soziodemografischen Fakt, den Sie gerne verändern wollen. Zum Beispiel:

  • „Wir wollen mindestens 10 weibliche Bewerber für die Industriemechaniker-Ausbildung.“
  • „Der Anteil der kaufmännischen Azubis mit Hauptschulabschluss soll um 50 Prozent steigen.“
  • „Aus dem Landkreis soll es mindestens so viele Bewerbungen geben wie aus unserer Stadt.“

Weniger geeignet sind unspezifische Ziele wie „Wir brauchen mehr Chemikanten“, aus denen sich genauso unspezifische Ansätze wie „Wir müssen die Bekanntheit des Berufsbilds stärken” ergeben.

3. Kanäle und Formate festlegen

Wer Jugendliche auf sich aufmerksam machen will, sollte zunächst Videos drehen und über digitale Kanäle ausspielen. Ob Instagram, Youtube oder TikTok, Information oder Unterhaltung – bewegte Bilder sind das Format der Wahl für Schülerinnen und Schüler. Das können Videoclips sein, animierte Erklärfilme oder Motion Graphics. Wählen Sie Formate, die ohnehin besonders häufig konsumiert werden.

Der traditionelle Stand auf Berufsmessen oder der Tag der offenen Tür sind eher eine Ergänzung zum Digitalen. Bedenken Sie die Ausgangssituation Ihrer Zielgruppe bei der analogen Berufsorientierung: Freiwillig besuchen nur wenige Jugendliche Messen oder Unternehmen, häufig sind Eltern oder Lehrer und Lehrerinnen und deren Erwartungshaltungen dabei. Entsprechend hoch sind die Hürden für Ansprache, Information, Interesse und echte Begeisterung.

4. Inhalte bestimmen

Für den Inhalt Ihrer Azubi-Formate gilt vor allem: Werden Sie konkret. Sie wollen keinen abstrakten Ausbildungsberuf vermarkten – sondern einen Ausbildungsberuf in Ihrem Unternehmen:

  • Was macht Ihr Unternehmen genau, und warum sind Azubis dafür wichtig?
  • Welche Aufgaben haben sie in welchem konkreten Beruf?
  • Was müssen sie dafür können? Welche Fähigkeiten sind nicht so wichtig?
  • Wie viel verdienen sie dabei?
  • Mit welchen Menschen arbeiten die Azubis zusammen?
  • An welchen Produkten arbeiten Azubis und haben diese Produkte eine besondere Bedeutung für den Alltag/die Gesellschaft/den technischen Fortschritt o. ä.?
  • Was bieten Sie Ihren Azubis außer Arbeit und Geld noch? Firmen-E-Bike, veganes Kantinenessen, Fußballmannschaft ...
  • Und was kommt nach der Ausbildung? Welche Weiterbildungen und Karrierechancen bieten Sie? Haben Sie Kolleginnen oder Kollegen, die solche Aufsteigergeschichten erzählen können?

Die Herausforderung liegt darin, die wichtigsten Antworten auf solche Fragen in höchstens 90 Sekunden zu gießen. Die Bildsequenzen dazu sollten Sie in Ihrem Unternehmen drehen (lassen) – und zwar frisch und gesondert für diesen Anlass.

5. Absender und Ansprache auswählen

Schülerinnen und Schüler sind umgeben von älteren Menschen, die ihnen die Welt erklären.  Begegnen Sie Jugendlichen deshalb auf Augenhöhe und im Bewusstsein für deren neue Lebensphase: Ihr Unternehmen wird der Ort werden, an dem die Azubis den Großteil der kommenden Jahre verbringen. Es sollte deshalb so gut wie möglich als eine Heimat auf Zeit dargestellt werden, in der man im respektvollen Umgang mit interessanten Menschen spannende Aufgaben erledigt und wichtige Skills lernt.

Berufsorientierung sollte in dieser Anbahnungsphase Spaß machen und Spaß vermitteln. Der wichtigste Schritt dabei: Geben Sie Ihrer Kampagne buchstäblich ein jugendliches Gesicht. Stellen Sie entweder jemanden aus derselben Altersgruppe oder eine Person bis maximal Mitte 20, Modell „große/r Bruder/Schwester“, vor die Kamera oder ans Mikrofon. Im Idealfall identifizieren Sie im Unternehmen Corporate Influencer. Jemanden, der eine Azubilaufbahn hinter sich hat, der Lust auf Kamera hat und begeistern kann – ggf. mit Medientraining. Wenn Ihr Budget das zulässt, können Sie auch versuchen, bekannte Influencer oder professionelle (Nachwuchs-)Moderatoren zu engagieren. Bedenken Sie aber, dass es vom Publikum Minuspunkte bei Glaubwürdigkeit und Authentizität gibt, wenn jemand offensichtlich gegen Geld in Ihrem Sinne Content produziert.

Egal, wer präsentiert: Er braucht inhaltliche und sprachliche Freiheiten. Die Fachsprache in Ihrem Unternehmen ist nicht die Ihrer Azubi-Bewerber/innen. Selbst wenn Azubis später den Fluxkompensator modellieren oder Halbzeuge bearbeiten müssen – verstehen werden sie das kaum. Testen Sie deshalb sämtliche gesprochenen und eingeblendeten Texte vorab mit Zielgruppenvertretern und fragen sie, was davon wie verstanden wird.

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6. Weitere Informationen bereitstellen

Die Berufsorientierung von Jugendlichen ist natürlich nicht abgeschlossen, wenn sie Ihren Videoclip gesehen haben. Vertiefende Informationen sollten sie erhalten ...

auf der Firmenwebseite:
Konzipieren Sie einen gesonderten Bereich fürs Azubi-Recruiting. Neben Bewegtbild kann der dann auch mehr Textinformationen enthalten. Der Inhalt sollte aber auf jeden Fall snackablebleiben, also in kleinen, in sich geschlossenen Info-Häppchen, die Jugendliche schnell konsumieren und dabei die zentralen Fakten mitnehmen können. Sammeln Sie hier beispielsweise die häufigsten Fragen und Antworten rund um die Ausbildung bei Ihnen und ergänzen Sie diese Liste stetig.

… von persönlichen Ansprechpartnern:
Erste Wahl hierfür wird in den meisten Unternehmen die Personalabteilung sein. Überlegen Sie sich aber, auch die Gesichter Ihrer Videos dafür zu nutzen. Ob per Mail, Direktnachricht in Ihren Social-Media-Kanälen, Digital-Events per Video-Call oder etwa für eine Stunde pro Woche telefonisch: Wenn Ihre Corporate Influencer auch im zweiten Schritt noch da sind als Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen, stärkt das die Bindung zwischen Jugendlichen und potenziellen Arbeitgebern.

… als digitales Infopaket:
Stellen Sie eine PDF mit allen wichtigen Informationen zusammen und nennen Sie in Ihren Marketingformaten eine Mailadresse, unter der man diese Infos anfordern kann.

… in weiteren Social Media-Formaten:
Hat Ihr Video begeisterte Reaktionen oder gute Interaktionsraten ausgelöst? Dann kann es sich lohnen, eine Videoreihe daraus zu machen und einen Ausbildungsberuf detaillierter, mit weiteren Protagonisten oder in einem Follow-up-Video auf Basis von Zuschauer-Feedback vorzustellen.

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7. Bewerbungsprozess vereinfachen

Jugendliche sind mit Smartphones und intuitiver Benutzerführung aufgewachsen. Das muss sich auch im UX- und UI-Design Ihrer Bewerbungskanäle zeigen: Führen Sie Schülerinnen und Schüler in möglichst wenigen, eindeutig beschriebenen Schritten durch den Bewerbungsprozess, um ihnen das bestmögliche Nutzererlebnis zu bieten. Wichtige Faktoren dabei:

  • Mobile-Eignung: Ihre Bewerbungsseite muss auf Smartphones und Tablets genauso gut funktionieren und bedienbar sein wie auf Laptops und PCs.
  • Auffindbarkeit: „Jetzt bewerben“ –diesen oder einen vergleichbaren Call-to-Action sollten Sie gut sichtbar auf Ihrer Ausbildungsseite platzieren.
  • Datensparsamkeit: Fordern Sie nur die Dokumente und Angaben ein, die Sie wirklich für die erste Auswahlrunde brauchen. Klarheit: Sind die Aktionen, die die Jugendlichen erledigen müssen, eindeutig beschrieben und funktionieren sie technisch auch?
  • Struktur: Müssen alle Prozessschritte auf einer Seite stattfinden, oder lassen sie sich zerlegen?
  • Offenheit: Formale und rechtliche Vorgaben für Lebensläufe, Anschreiben und Co. sind notwendig. Technische Vorgaben etwa bei Dateigrößen oder Dateiformaten aber sind nicht mehr zeitgemäß und können kontraproduktiv sein. Je mehr Dinge potenzielle Bewerbende beachten und nicht machen dürfen, desto größer die Gefahr, dass sie abspringen.
  • Augenhöhe: Wählen Sie eine motivierende, wertschätzende Sprache. Eine Bewerbung ist zwar ein formaler Akt – sie ist aber auch eine Lebensentscheidung, bei der User sich richtig und gut fühlen wollen.
  • Kontaktmöglichkeiten: Schalten Sie eine Hotline oder programmieren Sie einen Chatbot, damit Jugendliche während der Bewerbung Antworten auf technische und andere Fragen erhalten.
  • Barrierefreiheit: Menschen mit Behinderungen können sich am Arbeitsmarkt oft nicht so einbringen, wie sie es gerne wollen. Wenn Sie diese Zielgruppe ansprechen möchten, berücksichtigen Sie das schon bei der Barrierefreiheit Ihres Bewerbungsprozesses.

8. Onboarding organisieren

Onboarding

Haben Sie Jugendliche überzeugt und für eine Ausbildungsstelle begeistert, sollte Ihr Engagement im Azubimarketing nicht enden. Fachkräfte zu finden, ist das eine. Sie auch zu binden, ist die nächste Herausforderung. Den Grundstein dafür legen Sie in den ersten Tagen und Wochen. Bereiten Sie das Onboarding personell und organisatorisch vor, zum Beispiel mit Infomappen, Werksrundgang, Mentorenprogramm für die Neuen oder Azubi-Tagen. Auch hier können die Corporate Influencer eine Rolle spielen. Bedenken Sie dabei, dass die Ausbildung für viele Jugendliche auch der Start in die Selbstbestimmung ist und sie vielleicht viele lebenspraktische Fragen und Anliegen haben, die nichts mit dem Betrieb zu tun haben, bei denen Sie aber trotzdem hilfreich zur Seite stehen könnten.

9. Versprechen einhalten

Ist das Onboarding geglückt, kommt die größte Herausforderung an ein Unternehmen: die Azubis so einzusetzen, zu behandeln und zu entwickeln, wie das im Azubimarketing behauptet wurde. Hält ein Ausbildungsbetrieb nicht, was er verspricht, fällt es gerade Azubis in gefragten Berufen leicht, anderswo unterzukommen. Dem Arbeitgeber wiederum drohen Folgeschäden, je größer die Diskrepanz zwischen Azubimarketing und Realität ist. Im Freundes- und Bekanntenkreis der Jugendlichen und in Social Media wird sich schnell herumsprechen, wenn ein Unternehmen nur bunte Bilder und hohle Phrasen in der Außendarstellung produziert hat. Damit es nicht so weit kommt, ist das Engagement aller Ausbildungsbeteiligten gefragt: Nur wenn die Wertschätzung auch im Handeln nach innen stimmt, wird sich die rare Spezies des Azubis in Ihrem Unternehmen auf Dauer wohlfühlen.

Nicolas Schöneich

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Nicolas Schöneich
Senior Concepter der IW Medien

Finde Floskeln furchtbar, Phrasen phasenweise phantasievoll. Drei Dinge, die ich gut kann, sind lesen und schreiben; rechnen nicht so.

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